Für das Funktionieren eines lebenden Organismus gilt, dass er von einer Kraft durchströmt werden muss, sonst ist er tot. Materiell ist ja im Augenblick des Todes und kurz danach noch alles vorhanden, und doch ist der Organismus tot. Die Kraft, die diese an sich tote Materie belebt, die alle ihre Bauelemente – Atome, Moleküle, Zellen, Organe – in Harmonie einander zuordnet und ihnen sagt, was sie tun sollen, ist verschwunden. Es ist daher nur logisch, dass Hahnemann den Namen „Lebenskraft“ wählte, um das zu beschreiben, was er entdeckt hatte.
Zitat aus § 9-12 des Organons:
Im gesunden Zustande des Menschen waltet die geistigartige, als Dynamis den materiellen Körper (Organism) belebende Lebenskraft (Autokratie) unumschränkt und hält alle seine Theile in bewunderungswürdig harmonischem Lebensgange in Gefühlen und Thätigkeiten, so dass unser innewohnende, vernünftige Geist sich dieses lebendigen, gesunden Werkzeugs frei zu dem höheren Zwecke unseres Daseins bedienen kann. – Der materielle Organism, ohne Lebenskraft gedacht, ist keiner Empfindung, keiner Tätigkeit, keiner Selbsterhaltung fähig; nur das immaterielle, den materiellen Organism im gesunden und kranken Zustande belebende Wesen (das Lebensprinzip, die Lebenskraft) verleiht ihm alle Empfindungen und bewirkt seine Lebensverrichtungen. – Wenn der Mensch erkrankt, so ist ursprünglich nur diese geistigartige, in seinem Organism überall anwesende, selbsttätige Lebenskraft (Lebensprinzip) durch den dem Leben feindlichen, dynamischen Einfluss eines krankmachenden Agens verstimmt; nur das zu einer solchen Innormalität verstimmte Lebensprinzip, kann dem Organism die widrigen Empfindungen verleihen und ihn so zu regelwidrigen Tätigkeiten bestimmen, die wir Krankheit nennen, denn dieses, an sich unsichtbare und bloss an seinen Wirkungen im Organism erkennbare Kraftwesen, gibt seine krankhafte Verstimmung nur durch Äusserung von Krankheit in Gefühlen und Tätigkeiten, das ist durch Krankheits-Symptomen zuerkennen und kann sie nicht anders zuerkennen geben. – Einzig die krankhaft gestimmte Lebenskraft bringt die Krankheit hervor…
Diese kurzen aber inhaltsvollen Paragraphen machen den riesigen Unterschied zwischen der Homöopathie und allen anderen Heilmethoden klar. Hier wird nämlich endlich einmal die richtige Stelle genannt, an die man sich wenden muss, wenn man heilen will; die man beeinflussen muss, wenn der Organismus in Richtung Heilung steuern will. Denn es ist die Lebenskraft, die den gesamten Organismus mit Leben erfüllt, ihn im harmonischen Gleichgewicht zusammenhält und die alles, was in ihm vorgeht, lenkt, befiehlt und steuert. Kein Atom, kein Molekül, keine Zelle, kein Organ könnte ohne sie etwas tun, und wenn sie etwas täten, würde es eigengesetzlich ablaufen und nicht dem Ganzen dienen. Darum hat es keinen Sinn, sich an irgend eine andere Instanz im Organismus zu wenden, wenn man heilen will, als an die Lebenskraft!!! Denn nur von der Lebenskraft aus kann Heilung erfolgen. Wenn also die Lebenskraft bei lokalen therapeutischen Bemühungen nicht mitmacht oder wenn diese Bemühungen gegen die Intentionen der Lebenskraft stehen, dann kommt es nicht nur nicht zur Heilung, sondern oft sogar zur Katastrophe. Die Lebenskraft hält nun also den gesunden Organismus in Gange. Was aber ist denn Krankheit?